In einem Brief an EU-Kommissarin Vera Jourova, den Generaldirektor des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF), Ville Itälä, und die EU-Bürgerbeauftragte Emily O'Reilly fordern die ungarischen Überwachungsorganisationen Atlatszo, K-Monitor und Hungarian Civil Liberties Union (TASZ), unterstützt von der Berliner Menschenrechtsorganisation Civil Liberties Union for Europe, die Kommission und das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) auf, eine Untersuchung von Betrugsvorwürfen gegen den Schwiegersohn von Viktor Orban zu Veröffentlichen. Anstatt gegen die Entscheidung eines EU-Gerichtshofs, in der die Freigabe gefordert wird, juristisch vorzugehen, sollten sie das Urteil vielmehr nutzen, um ihre Strategie bezüglich des Zugangs zu Dokumenten insgesamt zu zu korrigieren.
Das EU-Verfahren geht auf einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten zurück, den Frau Homoki, eine Einwohnerin von Gyál, einer Stadt im Komitat Pest im Großraum Budapest, mit rechtlicher Unterstützung der Hungarian Civil Liberties Union gestellt hatte. Die Klage der Aktivistin sollte Licht in ein von der EU finanziertes Straßenbeleuchtungsprojekt in Gyál bringen, das, anstatt die öffentliche Beleuchtungsinfrastruktur der Stadt zu verbessern, die schlechte Lichtsituation in den Straßen der Stadt noch weiter verschlechterte. Wie bereits berichtet, hatte das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung eine Untersuchung durchgeführt, bei der "schwerwiegende Unregelmäßigkeiten" und "Interessenkonflikte" im Zusammenhang mit der Ausschreibung des Projekts festgestellt wurden, die von ein Unternehmen gewonnen hatte, das zu 50 Prozent dem Schwiegersohn des ungarischen Ministerpräsidenten, István Tiborcz, gehört. Ein Jahr nach der unabhängigen Untersuchung haben ungarische Behörden keine Unregelmäßigkeiten festgestellt, und die ungarischen Steuerzahler mussten schließlich die Rechnung für das Projekt in Höhe von 13 Milliarden Forint (36,3 Millionen Euro) begleichen.
Im September urteilte das Gericht der Europäischen Union über die Klage und entschied, OLAF dürfe den Zugang zu dem Bericht nicht verweigern. In ihrem offenen Brief fordern die Gruppen der Zivilgesellschaft die Kommission und OLAF auf, das Urteil zu akzeptieren und den Bericht freizugeben. Außerdem fordern sie Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Zugang zu Informationen von öffentlichem Interesse sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene besser gefördert und geschützt wird.
Linda Ravo, Senior Advocacy Consultant bei der Civil Liberties Union for Europe:
"Die Menschen haben ein Recht darauf zu erfahren, was mit ihren Beiträgen zu öffentlichen Ressourcen geschieht. Die Öffentlichkeit kann nur dann wissen, dass ihre Beiträge verantwortungsvoll verwendet werden, wenn sie Zugang zu Informationen über die Verwendung der Gelder hat, und dazu gehören selbstverständlich auch Untersuchungen, die zeigen, dass Politiker Gelder missbrauchen. Das Rechtsstaatsprinzip dient dazu, sicherzustellen, dass die Mittel, die die Bürgerinnen und Bürger beisteuern, zur Finanzierung öffenlticher Dienstleisungen verwendet werden, auf die sich die Menschen verlassen können, und nicht zur Bereicherung einiger weniger Politiker und ihrer Verbündeten. In unserem Schreiben fordern wir die Kommission, OLAF und den EU-Bürgerbeauftragten auf, die Öffentlichkeit besser über Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit, wie z. B. Korruption, zu informieren und so mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht zu fördern."
Das vollständige Schreiben kann hier heruntergeladen werden.