Der dritte Jahresbericht von Liberties über Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechte in der EU deckt 17 Länder ab. Der Bericht ist eine unabhängige Analyse, die auf Informationen von 32 Menschenrechtsorganisationen aus der gesamten EU beruht. Er ist eine Antwort auf das Informationsersuchen der Kommission, die ihre nächste jährliche Prüfung der Rechtsstaatlichkeit vorbereitet. Der Liberties Rule of Law Report 2022 zeigt drei allgemeine Trends in den EU-Ländern auf.
Vertiefung des Autoritarismus
Erstens, die Vertiefung des Autoritarismus. Wie letztes Jahr berichtet, verfolgen die Regierungen von drei Ländern eine kalkulierte Strategie zum Aufbau eines autoritären Staates. Im Jahr 2021 haben die Regierungen Ungarns und Polens weitere Schritte zur Demontage ihrer Demokratien unternommen, und Slowenien ist ihnen weiterhin dicht auf den Fersen. Bisher hat weder der rechtliche noch der politische Druck der EU spürbare Wirkung auf diese Regierungen gezeigt, denn sie nehmen den Konflikt mit Brüssel offenbar gerne in Kauf. Der EU-Konditionalitätsmechanismus für Rechtsstaatlichkeit, den die Regierungen Ungarns und Polens zu torpedieren hoffen, könnte sich als wirksames Abschreckungsmittel erweisen, wenn genügend andere EU-Regierungen seiner Anwendung zustimmen.
Vernachlässigte Demokratie
Ein zweiter Trend in den EU-Ländern ist die Vernachlässigung der Demokratie. Unser Bericht vom letzten Jahr zeigte eine Reihe von Problemen mit den Justizsystemen, dem Zustand der Medien, dem Umfeld für Aktivismus, Korruption und systemischen Menschenrechtsproblemen auf, die alle EU-Länder betreffen. In den meisten Fällen haben die Regierungen zugelassen, dass diese Probleme weiterbestehen oder sich sogar noch verschlimmern. Um ein paar Beispiele zu nennen:
👉 Viele Regierungen haben es versäumt, die Notstandsbefugnisse aufzuheben, die sie sich für den Umgang mit der COVID-19 Pandemie eingeräumt haben. In der Hälfte der untersuchten Länder bezweifelten die Prüferinnen und Prüfer, dass ihre Regierungen ihre Befugnisse legal eingesetzt haben (Belgien, Kroatien, Frankreich, Irland, Italien, die Niederlande, Polen und Schweden).
👉 In der Hälfte der untersuchten Länder verzeichnen wir verbale, physische oder rechtliche Angriffe gegen Journalisten (Bulgarien, Kroatien, Frankreich, Italien, die Niederlande, Polen, Slowenien, Spanien und Schweden) und zivilgesellschaftliche Gruppen (Belgien, Bulgarien, Kroatien, Irland, Italien, Polen, Slowenien und Schweden).
👉 In 14 der 17 untersuchten Länder wurde über mindestens eine Form von systemischen Problemen beim Schutz der Rechte berichtet. Beispiele dafür sind Ethnic Profiling durch die Strafverfolgungsbehörden, Datenschutzverletzungen, Rückschritte bei der Gleichstellung von Frauen und LGBTIQ-Personen, Misshandlung von Roma und "Travelers" oder von Menschen, die migrieren, sowie unzulängliche Haftbedingungen.
Verbesserungen sind die Ausnahme
Ein dritter Trend ist, dass auch in den Feldern, in denen Verbesserungen angegangen wurden, dies in der Regel nur in einer Minderheit der Länder erfolgt, und teilweise wenig ehrgeizig ist. So haben wir zum Beispiel in nur vier Ländern (der Tschechischen Republik, Italien, den Niederlanden und der Slowakei) Fortschritte bei der Verbesserung des Justizsystems festgestellt. Manchmal handelt es sich um geplante oder diskutierte, aber noch nicht umgesetzte Reformen oder um Reformen, die andere Probleme des Justizsystems unberührt lassen. Auch bei der Korruptionsbekämpfung gibt es kaum echte Fortschritte: In der Tschechischen Republik, Irland, Italien und Frankreich werden zwar Reformen diskutiert, aber keine konkreten Änderungen vorgenommen.
Unsere Empfehlungen an die EU
Es wird erwartet, dass die Kommission in ihrem kommenden Bericht zum ersten Mal Empfehlungen für die einzelnen Länder geben wird, wie diese die festgestellten Probleme lösen können. Liberties begrüßt diese Entwicklung, die eine unserer früheren Empfehlungen an die Kommission war. Der diesjährige Bericht zeigt weitere Möglichkeiten auf, wie die Kommission sicherstellen kann, dass ihr Jahresbericht eine greifbarere Wirkung hat.
Erstens sollte die Kommission in Fällen, in denen ihre Empfehlungen nicht umgesetzt werden, umgehend rechtliche Schritte einleiten und den Konditionalitätsmechanismus der Rechtsstaatlichkeit auslösen.Zweitens sollte die Kommission eine Analyse der systemischen Grundrechtsverletzungen in ihren Bericht aufnehmen. Andernfalls wird die Kommission übersehen, dass viele der Probleme, die sie in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit feststellt, Teil eines umfassenderen Versagens bei der Umsetzung demokratischer Standards sind.
Drittens sollte die Kommission den Rechtsschutz und die finanzielle Unterstützung für zivilgesellschaftliche Organisationen verbessern, damit diese Angriffen besser standhalten und ihre Aufgabe, für eine funktionierende Demokratie zu sorgen, weiterhin erfüllen können.
Über den Bericht
Dies ist der dritte Jahresbericht von Liberties über den Zustand von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechten in der EU. Der Bericht deckt 17 EU-Länder ab und ist die detaillierteste, von einem NRO-Netzwerk erstellte, Analyse dieser Art. Der Bericht wurde von Liberties zusammen mit 32 Organisationen aus ganz Europa erstellt. Dabei handelt es sich um eine Verbindung aus unseren eigenen Mitgliedern und einer Reihe von externen Partnern. Wie schon in den vergangenen Jahren dient die Veröffentlichung zwei Zwecken: als Informationsquelle, die wir der Europäischen Kommission für ihre jährliche Prüfung der Rechtsstaatlichkeit in der EU zur Verfügung stellen, und als Quelle unabhängiger Analysen für Journalisten, Forscher und andere, die sich für den Zustand der Demokratie in der EU interessieren.
Liberties Rule of Law Report 2022 herunterladen
Lies unsere Pressemitteilung über den Bericht 2022.