Demokratie & Gerechtigkeit

Was ist Rassismus? Wie ist die Situation in Deutschland und wie lässt er sich aufhalten?

Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Er ist tief in unsere sozialen Systemen integriert und wird durch sie aufrechterhalten, existiert aber auch individueller Ebene. Was also können wir dagegen unternehmen?

by Franziska Otto

Was ist Rassismus?

Gemeinhin lassen sich Definitionen von Rassismus in zwei Ansätze unterscheiden: biologisch und formell. Der biologische Ansatz geht (fälschlicherweise) davon aus, dass die Menschheit in unterschiedliche “Rassen” unterteilt werden kann. Diese “Rassen” würden für sie typische physische, Intellektuelle und charakterliche Eigenschaften aufweisen. Da einige Rassen den anderen überlegen seien, müsse eine “Vermischung” mit minderwertigen Rassen vermieden werden. Die formelle Definition zeichnet sich hingegen durch eine Ab- und Ausgrenzung zwischen der eigenen, bekannten Gemeinschaft und allem Fremden aus. Das kann sich auf die Hautfarbe beziehen, aber auch auf kulturelle Unterschiede.

Die Antirassismuskonvention der Vereinten Nationen definiert Rassismus als “jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird”.

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Rassismus und Diskriminierung auf Grund der ethnischen Herkunft einer Person verhindern die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft. Häufig stehen Personen, die nicht der Mehrheitsgesellschaft angehören nicht die gleichen Möglichkeiten offen. Rassismus kann zu psychischer und physischer Gewalt führen. In extremen Fällen kann er sogar als Rechtfertigung für einen Völkermord dienen.

Weshalb und wie wurde Rassismus künstlich erschaffen?

Spuren von Rassismus lassen sich bereits in der Antike feststellen. In der damaligen griechischen Gesellschaft wurde zwischen den Hellenen, im griechischen Einflussgebiet, und den Barbaren, allen anderen, unterschieden. Aristoteles zum Beispiel sagte, dass die Barbaren geborene Knechte seien. Durch das Erstarken des Christentums in den europäischen Ländern während des Mittelalters kam es zu anti-muslimischen und anti-semitischen Strömungen.

Der Gedanke, dass Menschen in verschiedene “Rassen” unterteilt werden können und der damit unser heutiges Verständnis von Rassismus geprägt hat, geht auf den Kolonialismus zurück. Menschen aus vor allem westlichen Staaten auf der Suche nach neuen Rohstoffen unterwarfen andere ressourcenreiche Territorien auf der ganzen Welt, entzogen der dort lebenden Bevölkerung ihre Rechte, versklavten und ermordeten sie.

Um diese Taten zu rechtfertigen, wurde behauptet, die einheimische Bevölkerung wäre besonders unterentwickelt und man müsse ihr Fortschritt und Zivilisation (zumindest das westliche Verständnis davon) beibringen - notfalls mit Gewalt. Damit sich die Menschen zu Hause ebenfalls im Vergleich zu “diesen Wilden” überlegen fühlen konnten, gab es in vielen Staaten Menschenzoos. In Brüssel, Belgien, wurde noch in 1958 im Zuge der Weltausstellung ein kongolesisches Dorf samt Einwohnern nachgestellt.

Rassismus wird häufig auch genutzt, um in Zeiten von Krisen einen Sündenbock zu schaffen. So hat mit der Covid-19 Pandemie auch der anti-asiatische Rassismus weltweit zugenommen. Da der Ursprung des Ausbruches des Virus in China lag, wurde allen asiatisch aussehenden Menschen, fälschlicherweise, die Schuld an der Pandemie gegeben. In der Folge nahmen rassistische Angriffe gegen sie zu, sie wurden beschuldigt infiziert zu sein und das Virus zu übertragen.

Wie äußert sich Rassismus im Alltag?

Im Alltag kann sich Rassismus in vielfältiger Weise äußern. Er kann sich zum Beispiel in vermeintlich gut gemeinten Komplimenten äußern, wenn man einer Person of Colour (PoC, eine Selbstbezeichnung von nicht-weißen Menschen, die Rassismus erfahren) dazu gratuliert, dass sie doch sehr gut Deutsch sprechen würde, ohne zu wissen, ob diese Person vielleicht in Deutschland geboren wurde. Oder im Arbeitsumfeld, wenn die eine nicht-weiße Kollegin immer dann mit in Fotos stehen soll, wenn die Firma sich als besonders divers darstellen möchte. Solche Handlungen werden auch Mikroaggressionen genannt, weil sie zwar rassistisch sind aber unter der Schwelle zu offenen rassistischen Äußerungen oder von Gewalt bleiben.

Aber auch wenn es um die Job- oder Wohnungssuche geht, erfahren viele Menschen Rassismus. Personen mit nicht-deutsch klingenden Namen etwa haben es nachweislich deutlich schwerer eine Wohnung zu finden.

Was ist systematischer Rassismus?

Es gibt zwei Formen von systematischem Rassismus: institutionellen Rassismus und strukturellen Rassismus.

Institutioneller Rassismus bezeichnet Formen von Diskriminierung, Ausgrenzung und Abwertung, die von den Institutionen einer Gesellschaft ausgeht, also zum Beispiel von der Polizei, Behörden oder Schulen. Dabei geht es aber nicht darum, ob ein Lehrer sich rassistisch äußert, sondern um die Auslegung von Regeln, Vorschriften, Normen, Routinen und eingeschliffenen Praktiken.

Struktureller Rassismus dagegen lässt sich nicht auf eine einzelne Institutionen zurückführen. Vielmehr bezeichnet er Verhältnisse, die tief in den Strukturen, Diskursen oder Bildern einer Gesellschaft verankert sind. Er führt dadurch auch dazu, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen in wichtigen Positionen in Politik, Verwaltung oder der Wirtschaft nicht angemessen vertreten sind. So haben imaktuellen Deutschen Bundestag 11,3 % der Abgeordneten einen Migrationshintergrund, in der deutschen Bevölkerung liegt der Anteil jedoch bei 26 %. Sie sind damit unterrepräsentiert.

Einen solchen Mangel an Repräsentation von nicht-weißen Menschen in wichtigen Positionen gibt in es vielen Bereichen und er kann eine großen Einfluss auf unser Leben haben. Gesichtserkennungssoftware zum Beispiel, die in Deutschland unter anderem dafür genutzt wird, um Kriminelle zu finden, hat größere Probleme damit, Schwarze oder asiatische Menschen zu unterscheiden und zu erkennen als Weiße. Die Fehlerrate war bis zu einhundert Mal höher als bei Weißen. Das kann dazu führen, dass Unschuldige zu Unrecht einer Straftat bezichtigt werden. Diese Fehler kommen nicht etwa dadurch zustande, dass die Software rassistisch ist. Vielmehr wurde die Software vor allem mit Fotos von weißen Menschen trainiert, was dann dazu führte, dass diese besser erkannt wurden.

Was ist individueller Rassismus?

Individueller Rassismus bezieht sich auf die persönliche Ebene. Damit ist also nicht gemeint, dass eine Bevölkerungsgruppe systematisch diskriminiert wird. Vielmehr meint der Begriff, wenn eine Person oder Gruppe eine andere Person oder Gruppe auf Grund der vermeintlichen Herkunft oder Religion angreift.

Rassismus in Deutschland: Wie ist die aktuelle Situation?

Auch in Deutschland ist Rassismus noch immer ein großes Problem. In einer Studie des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gab mehr als ein Fünftel der Befragten an, selber Rassismus erfahren zu haben. Insgesamt zwei Drittel der Bevölkerung hatten bereits direkt, weil sie selber betroffen waren, oder indirekt, etwa weil sie eine rassistische Tat beobachtet haben, mit Rassismus Kontakt.

Zwischen 2017 und 2020 kontaktierten mehr als 5.300 Menschen die Beraterinnen und Berater der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, weil sie aus rassistischen Gründen oder wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert wurden. Betroffene erzählen zum Beispiel, dass sie von der Polizei wegen ihrer Hautfarbe oder ihres Aussehen kontrolliert wurden (“Racial Profiling”).

Doch Rassismus in Deutschland äußert sich nicht nur durch Beleidigen und Diskriminierung. Immer wieder werden Menschen von Rassisten verletzt oder getötet.

Am 19. Februar 2020 tötete ein Rassist bei einem Anschlag in Hanau zehn Menschen und verletzte sechs weitere. In Videos, die er online stellte, äußerte er sich abwertend über muslimische Menschen und machte antisemitische Statements.

Auch die Taten des sogenannten “Nationalsozialistischen Untergrunds” (NSU) bekamen medial große Aufmerksamkeit. Die Terrorgruppe ermordete über einen Zeitraum von mehr als 13 Jahren zehn Menschen, das Tatmotiv war Rassismus. Acht der Opfer waren türkischstämmig, eines griechischstämmig. Alleine die Tatsache, dass die Mordserie lange den Beinamen “Döner-Morde” trug zeigt, dass Rassismus in Deutschland noch lange nicht der Vergangenheit angehört.

Was kann man gegen Rassismus tun? Wie bekämpft man ihn?

Der wichtigste Schritt, um Rassismus bekämpfen zu können, ist, ihn in seinen strukturellen, alltäglichen und gewalttätigen Formen anzuerkennen und ernstzunehmen. Dazu gehört auch, sich selber einzugestehen, dass wir alle zu einem gewissen Grad Vorurteile haben, die sich auf die ethnische Herkunft einer Person beziehen. Wichtiger aber als die Tatsache, dass wir diese Vorurteile haben, ist, inwiefern sie unsere Handlungen diktieren. Zur Bekämpfung von Rassismus gehört auch die Erkenntnis, dass nicht nur Gewalttaten oder offene Beleidigungen rassistisch sind. Oftmals sind sich weiße Personen nicht darüber im klaren, dass eine Äußerung beim Gegenüber als rassistisch aufgefasst wird. Wird man deshalb darauf angesprochen, sollten wir nicht defensiv oder abweisend reagieren, sondern über unser eigenes Verhalten reflektieren und dazulernen.

Was kann man gegen Rassismus in der Schule tun?

In der Schule lernen Kinder nicht nur Mathe und Chemie, sondern auch, wie man sich fair und tolerant verhält. Antidiskriminierung sollte daher in jeder Schule ein Bildungsziel sein.

Wie das in der Praxis aussehen kann zeigt das Netzwerk “Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage”. Dieser Zusammenschluss von deutschen Schulen setzt sich bewusst gegen Rassismus und Diskriminierung ein. Schülerinnen und Schüler lernen über die unterschiedlichen Arten von Diskriminierung und werden für sie sensibilisiert.

Diese Präventionsarbeit in der Schule kann auch dabei helfen, Weltbilder, die Kinder von zu Hause oder aus dem Umfeld mitbekommen, aufzubrechen. Sie bieten einen Gegenentwurf zu rassistischen Vorurteilen, die einem Kind von den Eltern eingetrichtert werden.

Was kann man gegen Rassismus am Arbeitsplatz tun?

Auch am Arbeitsplatz sind viele Menschen vor Rassismus nicht sicher, sei es durch Kollegen oder durch Vorgesetzte. Hier ist es wichtig, der betroffenen Person zu zeigen, dass sie nicht alleine ist. Man kann zum Beispiel rassistischen Äußerungen widersprechen oder die Unterstützung anbieten, wenn diese beim Chef oder der Chefin gemeldet werden sollen. Dafür müssen in Unternehmen Strukturen geschaffen werden, die offene Kommunikation möglich machen, ohne das man befürchten muss, durch eine Meldung Nachteile zu erfahren.

Gleichzeitig muss auch das Bewusstsein für Diskriminierung und Rassismus da sein. Dies kann zum Beispiel durch Trainings geschehen. Und es muss Strategien geben, die dafür sorgen, dass etwa bei anstehenden Beförderungen Chancengleichheit gilt.

Gibt es auch Rassismus gegen Weiße? Was müssen wir darüber wissen?

Die Frage, ob es auch Rassismus gegen Weiße geben kann, ist nicht unumstritten. Um sie beantworten zu können, müssen wir an die unterschiedlichen Formen von Rassismus denken.

Es kann natürlich vorkommen, dass weiße Menschen wegen ihrer Hautfarbe oder Herkunft beleidigt oder anders behandelt werden.

Doch individueller Rassismus ist nur ein Teil von Rassismus im Allgemeinen. Systematischen oder institutionellen Rassismus gegen Weiße gibt es nicht. Sie müssen nicht mehr Bewerbungen schreiben, weil sie auf ihrem Fotos anders aussehen oder ihr Name nicht deutsch klingt. Auch in medizinischem Kontext oder anderen Bereichen der Forschung werden Weiße häufig als “die Norm” angesehen, zum Beispiel werden in Lehrbüchern Fotos von Hautkrebs auf weißer Haut gezeigt. Auf dunklerer Haut kann dieser jedoch ganz anders aussehen, was dazu führen kann, dass er erst später erkannt wird.

Das heißt aber nicht, dass nicht auch weiße Menschen strukturell benachteiligt werden können. Gründe hierfür können etwa der Bildungsstand sein oder ob die Person in Armut lebt. Trotzdem wird eine Person of Colour, die in den genau gleichen Umständen lebt, immer noch den zusätzlichen, rassistischen, Nachteil ihrer Herkunft oder Hautfarbe haben.



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